Wenn reden Gold ist – Tipps zur Thematisierung psychischer Probleme am Arbeitsplatz
Die Zeiten, in denen man sich nur hinter vorgehaltener Hand über psychische Probleme unterhalten hat, sind vorbei. Prominente Figuren wie Lady Gaga, die sich öffentlich zu ihrer Diagnose bekennen, machen Depression salonfähig. Zumindest scheinbar. In manchen Lebensbereichen hinkt die Enttabuisierung jedoch immer noch hinterher. Vor allem im Job wird die Leistungsfähigkeit der Betroffenen angezweifelt. Sie werden mit Vorurteilen wie „unflexibel“, „nicht belastbar“ oder „labil“ konfrontiert. Ein Stigma, das sich nur schwer abstreifen lässt. So wird der Arbeitstag zum Spießrutenlauf und die Bewerbung zum Drahtseilakt. Denn wie offen soll mit der Krankheit umgegangen werden? Sollen die Kollegen informiert werden, oder muss nur der*die Chef*in davon wissen? Ist man verpflichtet, sich dazu bereits im Lebenslauf zu äußern oder reicht eine Erwähnung während des Vorstellungsgesprächs? Hast du dir diese Fragen auch schon einmal gestellt? Dann ist dieser Blogbeitrag genau das Richtige für dich. Wir haben Informationen für dich gesammelt, die dir dabei helfen sollen, die Thematisierung einer psychischen Erkrankung im Arbeitskontext zu erleichtern.

Lebenslaufkosmetik – beschönigt oder ungeschminkt?
Die Bewerbungsunterlagen sind dein Aushängeschild, dein erster Kontakt zum Unternehmen und daher auch nicht die geeignete Plattform, um mit deinen Schwächen hausieren zu gehen. Wenn sich in deinem Lebenslauf krankheitsbedingt dennoch eine Lücke aufgetan hat, die über einen Zeitraum von ein bis zwei Monaten hinausgeht, solltest du die Gründe dafür trotzdem nicht gänzlich verschweigen. Verschleierungstaktiken wirken intransparent und führen zu offenen Fragen, welche wiederum überwiegend auf Ablehnung bei dem*der Personalverantwortlichen*in stoßen.
Auf Grund der Stigmata, die sich immer noch hartnäckig an psychische Erkrankungen klammern, ist bei der Formulierung der Gründe für die temporäre Absenz vom Arbeitsmarkt jedoch Fingerspitzengefühl gefragt.
Der Hintergrund deiner beschäftigungsfreien Zeit ist Privatsache, dennoch empfiehlt es sich kurz zu umreißen, wie es dazu kam. Achte hier besonders auf deine Wortwahl. Formulierungen wie „Krankheitsbedingte Auszeit“ oder „Berufliche Pause aus gesundheitlichen Gründen“ sind vorteilhaft, da sie das Thema nicht unter den Tisch fallen lassen, jedoch ebenso wenig im Detail darauf eingehen. Personaler wollen wissen, welchen Mehrwert du für das Unternehmen schaffen kannst, deshalb sind ausufernde Erklärungen oder Rechtfertigungen fehl am Platz. Weise jedoch unbedingt darauf hin, dass du inzwischen wieder vollständig genesen und einsatzfähig bist.
Aus dem Elefanten eine Mücke machen: so klappt’s auch beim Jobinterview
Du konntest mit deiner Vita überzeugen und wurdest zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Gratuliere!
Wahrscheinlich wird dich der*die zuständige Personaler:in im Zuge dessen auf deine Lücke im Lebenslauf ansprechen. Überlege dir schon im Vorfeld, wie du darauf reagieren möchtest. Wenn du in Gedanken bereits einige Gesprächsvarianten durchgespielt hast, wird es dir leichter fallen, souverän zu antworten.
- Das Radikal-Ehrlich Prinzip: mit offenen Karten zu spielen, hat für dich den Vorteil mentaler Entlastung und du läufst nicht in die Gefahr, dich in ein Konstrukt aus Ausflüchten zu verstricken. Außerdem kannst du darlegen, wie du am Umgang mit deiner Krankheit wachsen konntest und was sie dir über dich selbst beigebracht hat. In einer Schweizer Studie wurde jedoch erhoben, dass sich 60 Prozent der Führungskräfte gegen eine*n Bewerber:in entscheiden würden, der*die beim Bewerbungsgespräch seine*ihre psychischen Probleme offenlegt. Erwäge also sorgfältig, ob du dieses Risiko in Kauf nehmen willst oder nicht.
Solltest du dich dafür entscheiden, offensiv mit deiner psychischen Erkrankung umzugehen, formuliere deine Auskünfte knapp und präzise und zeige auf, wie du deine persönliche Krise gemeistert hast und was du in Zukunft anders machen möchtest, um es nicht mehr zu einer solchen kommen zu lassen.
- „Die Orientierungsphase“ oder das „Recht auf Lüge“: prinzipiell gilt, dass unzulässige Fragen nicht beantwortet werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel Erkundigungen über deinen aktuellen Gesundheitszustand oder vergangene Erkrankungen inklusive deren Dauer. Ausnahmen bestehen nur wenn der*die Arbeitgeber:in ein berechtigtes Interesse an den Antworten hat, wenn also die körperliche und geistige Verfassung wesentlich für die auszuübende Tätigkeit sind oder eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Mitarbeiter:innen oder Kunden*innen bestünde.
Es steht dir demnach frei, die Aussage rundheraus zu verweigern oder die Tatsachen etwas zu beschönigen. Im Arbeitsrecht spricht man dabei von dem „Recht auf situationsadäquate Falschbeantwortung“. Aber Vorsicht: der Grat zwischen erlaubtem Schwindeln und Täuschung ist schmal. Per gesetzlicher Definition bedeutet „Täuschung“, dass du einem anderen – hier also dem*r Arbeitgeber:in – mit Absicht dadurch einen Schaden zufügst, dass du ihn durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen zu einer bestimmten Handlung – in dem Fall eine Einstellung – verleitest.
Wir raten dir deshalb davon ab z.B. Verwandte, um die du dich kümmern musstest, oder eine Anstellung, die es nie gegeben hat, zu erfinden, um deine berufliche Absenz zu erklären. Damit verlässt du nicht nur den Graubereich, sondern machst dich sogar potenziell strafbar, wenn dir dein Arbeitgeber auf die Schliche kommt.
- Nicht Fisch, nicht Fleisch oder das vegane Ersatzprodukt: wenn du dich weder damit wohlfühlst, die Umstände deiner Tätigkeitsunterbrechung breitzutreten, noch dich einer Halbwahrheit bedienen willst, bleibt die Option dich vage auszudrücken. Eine Möglichkeit wäre etwa „längere Krankheit“ anzugeben, auf die du im Detail nicht näher eingehst. Weise stattdessen darauf hin, dass du in der Zeit deiner Abwesenheit vollständig genesen konntest und nun wieder arbeitsfähig bist.
Egal, für welche der drei Optionen du dich entscheidest, behalte im Hinterkopf, dass es beim Vorstellungsgespräch primär nicht darum geht, deine Schwächen auszugleichen, sondern deine Stärken hervorzuheben. Zeige, warum gerade du die bestmögliche Wahl für die vakante Stelle bist und nimm dem*r Personalverantwortlichem*n die Sorgen darüber, dass du auch in Zukunft wieder dauerhaft ausfallen könntest.
Wie viel der*die Chef*in wissen sollte
Wenn du dich bereits in einem Arbeitsverhältnis befindest und zunehmend negative Veränderungen deiner psychischen Verfassung feststellst, solltest du als Erstes mit Hilfe einer Vertrauensperson oder allein reflektieren, ob es sich nur um eine Phase handelt, die besonders stressig ist, oder tatsächlich etwas schwerwiegenderes, wie eine depressive Episode dahintersteckt.
Wenn der Verdacht auf letzteres fällt, empfiehlt es sich, dass du professionelle Beratung einholst. Sobald die Probleme sich nicht nur auf deinen persönlichen Bereich beschränken, sondern auch deine Leistung und das Arbeitsverhalten beeinflussen, oder die Verheimlichung des Gesundheitszustands sich zusätzlich negativ auf deine Psyche auswirkt, solltest du mit einem*r Vorgesetzten über deine mentalen Beschwerden reden. Wie dein Krankheitsbild konkret aussieht oder welche persönlichen Umstände dazu geführt haben, musst du dabei nicht im Detail erläutern. Für deine*n Chef*in stellt es jedoch in der Regel eine Entlastung dar, wenn du das Thema offen ansprichst. Das gibt euch die Möglichkeit gemeinsam an konkreten Maßnahmen zu arbeiten, welche deine Situation am Arbeitsplatz verbessern würden und die dir dabei helfen, deinen Job weiterhin gut erledigen zu können.
Solltest du dich in psychologischer Behandlung befinden, kannst du auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, einen Kontakt zwischen deinem*r Vorgesetztem*n und dem*r behandelnden Ärzt*in herzustellen, damit diese*r unterstützend einwirken kann.
Wenn du erst in der Probezeit bist oder deine Anstellung nur befristet ist, gilt es genauer abzuwägen, ob und wann du deine Erkrankung thematisieren willst. Auch wenn man keine Pauschalaussage treffen kann, besteht die Gefahr, dass dein Vertrag vielleicht nicht verlängert wird.
Mit offener Kommunikation Klarheit schaffen
Ehrlich zu deinen Kollegen*innen zu sein, was deine Lebenslage betrifft, kann sich nicht nur positiv auf dein Wohlbefinden auswirken, sondern auch die Beziehungen am Arbeitsplatz verbessern. Zu wissen, welche Umstände bei dir Stress und negative Emotionen hervorrufen, kann ihnen helfen, verständnisvoller zu reagieren und gegebenenfalls können sie dir auch besser zur Seite stehen. Außerdem schaffst du Klarheit in Situationen, in denen dein Verhalten missinterpretiert werden könnte, wodurch auch potenzielle Konflikte vermieden werden können.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass dir von Seiten deiner Mitarbeiter:innen Vorurteile und Unverständnis begegnen und dass es deiner Erkrankung zugeschrieben wird, wenn du einmal Fehler machst.
UNSER FAZIT FÜR DICH
Psychische Erkrankungen sind kein persönliches Versagen. Das solltest du dir als allererstes bewusst machen, egal ob du in den Job zurückkehrst oder vor der Entscheidung stehst, ob du deine psychischen Probleme in einem bestehenden Arbeitsverhältnis thematisieren sollst oder nicht.
Wie offensiv du damit umgehst, bleibt allein dir überlassen. Denn auch wenn es vielleicht ratsamer ist, nicht schon bei der Bewerbung mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern erst im Vorstellungsgespräch auf die näheren Umstände einer Lücke im Lebenslauf einzugehen, musst am Ende du dich mit der Entscheidung wohlfühlen. Gleiches gilt bei der Frage, ob du deine*n Chef*in und die Kollegen*innen davon in Kenntnis setzten sollst. Von einer Detail-Analyse deiner Erkrankung würden wir abraten, aber der offene Umgang mit dem Thema kann Verständnis schaffen und deine Arbeitsumständen verbessern. Es hilft deinem Umfeld besser auf deine Bedürfnisse einzugehen und adäquat auf unvorhergesehenes Verhalten zu reagieren.
Das Wichtigste ist, dass du dich nicht beirren lässt, wenn du Absagen erhältst oder manche Mitarbeiter:innen deine Situation nicht nachvollziehen können. Weiter machen ist die Devise, auch wenn du vielleicht mehr Überzeugungsarbeit leisten musst, als andere Bewerber:innen. Wenn du nach Unternehmen suchst, bei denen du dich im Anschluss an eine berufliche Auszeit bewerben kannst, starte deine Suche gleich hier auf unserer Jobplattform tirolerjobs.at. Wir wünschen dir viel Erfolg!
Blogbeitrag von Verena Bodner